(…)
Zwei Tage später klingelte der Bote. Sie war an diesem Tag zuhause geblieben, um die Lieferung abzufangen. Mit der Sendungsverfolgung hatte sie jeden Schritt des Transports verfolgt, doch als ihr der junge Mann in der gelben Uniform noch vor dem Mittag das neutrale Paket in die Hand drückte, spürte sie einen inneren Widerstand. Ob er wohl wusste, wie diese Pakete aussahen, wie gewollt neutral? Der DHL-Bote, ein knackiger Typ Mitte zwanzig mit Dreitagebart und breitem Kreuz, hielt ihr das Elektronische Gerät zur Empfangsbestätigung hin.

Natürlich wusste er, was sie war: Eine total frustrierte Mutter, die sich im Internet Spielzeuge bestellte, weil ihr Mann es ihr nicht mehr besorgte. Er kannte doch diese Kisten, wusste doch mittlerweile, wie die Verpackungen aussahen, in deren Bauch die versautesten Dinge transportiert wurden.
Sein Lächeln – das war doch das Grinsen eines Mannes, der sie durchschaut hatte. Was sah er in diesem Moment? Wie hatte Sandra es genannt? MILF? Mum I’d like to fuck? Ob er das würde? Sie ficken?
Ulrike zeichnete mit ihrem Finger eine unleserliche Unterschrift auf das graue Feld. Ihre Hand zitterte. Ihre Handflächen waren plötzlich feucht. Und in den Lenden spürte sie auf einmal ein Prickeln, das ganz eindeutig ein Zeichen der Lust war.
»Danke«, sagte der DHL-Bote. MILF, dachte Ulrike. Sieht er das? Würde er sie am liebsten vögeln, wenn er wüsste, dass sie das auch wollte? So junge Männer – standen sie nicht alle auf reife, erfahrene Frauen? Oder wollten sie nur knackige Mädchen mit kleinen, festen Brüsten und Hintern, die in eine Hand passten. Straffe Schenkel. Makellose Haut. Faltenfreie Gesichter.
Ulrike lächelte zurück. Der junge Mann drehte sich um und lief durch den Vorgarten zurück zur Straße, wo sein Transporter stand.
Ulrikes Herzschlag beruhigte sich nur langsam.
Als der Transporter wegfuhr, sah sie gerade noch drüben im Haus gegenüber den Nachbarsjungen vom Rad steigen. Mathis hieß er, oder? Dann schloss sie die Tür und lehnte sich schwer atmend dagegen.
Was machst du?, fragte sich Ulrike wieder. Die Antwort gab sie sich selber, indem sie das Paket auf das Sofa warf. Die Kinder waren in der Schule, ihr Mann bei der Arbeit. Sandra hatte sie dazu getrieben, ihre neue Freundin hatte die Idee gehabt. Nicht sie selbst. Sie hätte sich niemals etwas bestellt, das so versaut und obszön war.
Was beabsichtigte Sandra damit? Sie bloßstellen? Sie demütigen? Oder sie befreien? Wovon befreien? Von ihrer Scham. Ulrike betrachtete den grauen Versandkarton. Drei Gegenstände waren darin. Drei Objekte, die sie benutzen sollte. Wollte sie das?
In ihrem Bauch vibrierte eine Gitarrensaite, sie spürte ein Kitzeln in den Lenden.
Aber sie brauchte doch nicht mehr als ihre Finger, oder? Ihr Leben lang hatte sie nichts mehr benötigt als ihre Finger, mit denen sie sich Lust verschafft hatte, wenn ihr danach war und ihr Mann nicht selbst Hand anlegen konnte. Niemals hatte sie an irgendwelche Hilfsmittel gedacht, nicht aus Plastik und auch nicht aus organischem Material. Gurken, Karotten, Bananen – das war immer etwas Essbares gewesen, kein Sexspielzeug.
Langsam umkreiste sie die Couch und knetete die Finger. Sie konnte das Paket einfach in den Mülleimer werfen und niemand würde es bemerken. Sandra würde sie sagen, es sei nichts für sie, das ganze Zeug. Nie nahm das Paket von der Couch. Wie sahen die Sachen wohl in Originalgröße aus? Sie hatte nur die Abbildungen gesehen. Vermutlich rochen sie nach Kunststoff.
Diese krebserregenden Dinger wollte ich doch nicht in mir haben, würde sie Sandra gegenüber behaupten und das Thema beenden. Aber dazu müsste sie wenigstens einen Blick darauf geworfen haben.
Nachdem sie mit zitternden Fingern das Paket geöffnet hatte, atmete sie tief durch und schob die Blasenfolie zur Seite. Vor ihr lagen die in Plastik eingeschweißten phallischen Objekte sowie die Tube mit Gleitgel. Plötzlich pochte ihr Herz schneller und das Zittern im Bauch verstärkte sich. Das Kitzeln in ihren Lenden breitete sich aus. Sie spannte die Beckenmuskeln an.
Aus der Küchenschublade holte sie eine Schere, mit der sie die Verpackung aufschnitt, die beiden Plastikhälften aufriss und achtlos zu Boden fallen ließ. Nie würde sie den Moment vergessen, in dem sie den fast 25 Zentimeter langen, fleischfarbenen Dildo zum ersten Mal mit klopfendem Herzen in die Hand nahm. Die naturgetreu nachgebildete Eichel war riesig, die Adern am Schaft übertrieben hervorgehoben. Am Ende befand sich ein handtellergroßer Saugnapf. Der massive Dildo fühlte sich gut an, viel weicher als erwartet, trotz seiner Festigkeit. Sie schnupperte daran. Er roch nach nichts. Und dieses Monstrum sollte sie sich vorne einführen?
Ulrike musste schlucken. Die Geräusche um sie herum verstummten.
Die zweite Verpackung war ebenfalls schnell geöffnet. Der kleine, pilzförmige Stöpsel verströmte einen schwachen Geruch von Kunststoff. Er war immerhin noch so lang wie ihre Hand und an der dicksten Stelle hatte er den Umfang ihres Handgelenks.
Und dieses kleine Biest sollte sie sich hinten einführen?
Ulrike schluckte wieder. Wirf sie weg, kam es ihr wieder in den Sinn. Aber das konnte sie nicht. Vielleicht wollte Sandra sie haben. Sie legte die beiden Dildos wieder in den Versandkarton. Aber wohin damit. Auf den Schrank? In den Keller? Am besten versteckte sie die Sachen in ihre Wäschekommode. Weit hinten bei den Strumpfhosen und Söckchen war bestimmt noch etwas Platz. Sie holte auch die Tube mit dem Gleitgel heraus und gab den Karton zusammen mit den Werbeflyern ins Altpapier.
Doch als sie die Schublade ihrer Kommode öffnete und Dildo, Plug und Geltube verstecken wollte, spürte sie wieder das lustvolle Ziehen in den Lenden. Sie war allein. Sie hatte Zeit. Sie hatte Lust.
Nur einmal wissen, wie es sich anfühlte, nur einmal ausprobieren. Ihr würde es sicher nicht gefallen, es würde wehtun, es wäre abstoßend und unnatürlich – genau das würde sie Sandra sagen können.
Hinter ihr das ungemachte Bett. Sie war so eine schlechte Hausfrau. Eine ungezogene Hausfrau. Eine Hausfrau, der es schon lange kein Mann mehr besorgt hatte.
Über ihre Lippen ging ein Seufzen. Der riesige Dildo in ihrer Hand fühlte sich so gut an, so weich. (…)
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